MLP und MVP
06.01.2021
Sarah Berger

Was ist ein Minimum Lovable Product (MLP)?

In der agilen Produktentwicklung ist der Begriff MVP schon alltäglich. Allerdings ist der MVP nicht offiziell definiert und führt in der Praxis zu einigen Problemen. Vom MVP gibt es weitere Iterationsstufen, beispielsweise die Definition vom Minimum Loveable Product (MLP). In diesem Artikel geben wir eine Definition vom MLP und zeigen die Unterschiede zum MVP auf. Weiterhin erläutern wir, mögliche Fallstricke beim Einsatz vom MLP und geben Lösungsvorschläge an die Hand.

Was ist ein Minimum Loveable Product (MLP)?

Der Begriff MLP wurde erstmalig 2013 von Brian de Haaff verwendet. Beim MLP sind die Nutzer vom ersten Moment an vom Produkt begeistert. Die Idee ist, dass die Nutzer das Produkt nicht einfach nur benutzen und es die Funktion erfüllt. Viel mehr soll das Produkt so viel Freude bringen, dass die Nutzer es ihren Freunden und Familien weiterempfehlen. Ganz wichtig dabei ist, dass diese Begeisterung nicht dadurch entsteht mehr Funktionen in das Produkt zu implementieren. Stattdessen ist es das Ziel, die gesamte User Experience des Produktes zu verbessern. Der Fokus ist nicht mehr nur auf die reine funktionale Handhabung. Das Produkt soll Spaß machen und nicht einfach nur funktionieren. Hier ist eine genaue Definition vom MLP von Brian de Haaff.

A Minimum Lovable Product (MLP) is an initial offering that users love from the start. It represents the minimum that is required for customers to adore a product, rather than merely tolerating it.

Brian de Haaff

Warum reicht der MVP nicht mehr aus?

Nun mag man sich fragen, warum wir überhaupt eine weitere Iterationsstufe vom MVP  brauchen. Haben wir nicht schon eine Definition vom MVP? Es gab einige Gründe, warum sich Brian de Haaff Gedanken um eine Weiterentwicklung von MVP gemacht hat.

  1. Der User ist in puncto User Experience und Design anspruchsvoller geworden Es reicht heute nicht mehr aus, nur die Produktfunktion zur Verfügung zu stellen. Die Nutzung des Produktes muss gleich von Anfang an die Kunden begeistern. Durch die Entwicklung der letzten Jahre sind die Nutzer anspruchsvoller geworden. Apps und Webapplikationen müssen sofort verständlich sein und der Nutzer muss ohne große Hürden die Funktion verstehen und anwenden können.  
  2. Die Auswahlmöglichkeiten sind gewachsen Abhängig davon, welches digitale Produkte du entwickelst, gibt es sehr wahrscheinlich schon Alternativen auf dem Markt. Die Wahrscheinlichkeit ist also sehr groß, dass es ein ähnliches Produkt bereits auf dem Markt gibt. Das wiederum bedeutet, dass du dem Nutzer zunächst einen Anreiz geben musst, sich mit deinem Produkt zu beschäftigen. Da es die minimale Funktion ggf. bereits gibt, musst du es durch eine verbesserte Benutzerfreundlichkeit ausgleichen. Wenn dein Kunde, nicht von deinem Produkt begeistert wird, gibt es genug Alternativen für ihn.  
  3. Der Fokus lag zu sehr auf dem Minimum In den letzten Jahren hat sich bei einem MVP alles um das Minimum gedreht. Wie kann das Produkt noch weiter abgespeckt werden, um schnell mit einer ersten Vision auf den Markt zu gehen? Dabei wurde bei dieser Diskussion, der Kunde und sein Gefühl bei der Produktinteraktion außer Acht gelassen. Die Geschwindigkeit, um irgendwas auf den Markt zu bringen hat überwiegt. Das ist dabei die andere Extreme, als ein Produkt viel zu spät auf den Markt zu bringen.  

Ich habe hier nochmal grafisch aufbereitet, was der Fokus vom MLP ist. Anstatt sich nur auf die Funktionalität zu fokussieren, wird beim MLP auch die Zuverlässigkeit und das gesamte Kundenerlebnis mit berücksichtigt. Zur Erinnerungen, mit einem MLP wollen wir den Kunden bereits bei der ersten Produktnutzung begeistern.

Weiterentwicklung MLP zum MVP

Wo ist der Unterschied zwischen MVP und MLP?

Der Hauptunterschied zwischen MVP und MLP ist das Ziel, welches mit den unterschiedlichen Produktreifegraden erreicht wird. Beim MVP geht es vor allem darum, etwas schnell auf den Markt bringen, um die Machbarkeit und Rentabilität zu testen. Der Fokus liegt auf dem gemeinsamen Lernen mit dem Kunden. In solchen Situationen ist ggf. der Zielmarkt und das Kundensegment noch nicht näher erforscht. Produktteams wollen bei einem MVP mit einer hohen Geschwindigkeit und wenig Aufwand das Maximale an Lernergebnissen erarbeiten. Dabei ist von Anfang an klar, dass das Produkt noch nicht den Kunden begeistert. Beim MVP wird sich ebenfalls oft nur rein auf das Produkt konzentriert, aber nicht auf das gesamte Kundenerlebnis.

Beim MLP hingehen, weiß man bereits im Vorfeld viel mehr über den Markt und das Kundensegment. Die Kundenprobleme und das Kundenverhalten sind oft viel mehr erforscht, als bei einem MVP. Das Lernen und schnell auf den Markt bringen, steht nicht so sehr im Fokus. Trotzdem, beinhaltet die Definition ebenfalls das Wort "Minimal". Die Funktionalität ist auch bei MLP auf das minimalste fokussiert. Allerdings wird hier mehr Aufmerksamkeit, auf die gesamte Nutzerinteraktion gelegt. Es geht nicht nur darum, die Funktion zu testen, sondern den Kunden von Anfang an zu Fans zu machen. Deswegen ist es bei einem MLP auch wichtig, dass das Produkt nicht nur die eigentliche Lösung ist. Themen wie Kundensupport, Vertrieb, Rechnungsstellung gehören ebenfalls mit dem zum Produkt und müssen berücksichtigt werden. Der Kunde wird nicht begeistert sein, wenn nur die eigentliche Lösung gut ist. Die Prozesse und Aktivitäten drum herum müssen ebenfalls begeistern.

Vergleich MLP und MVP
Unterschied zwischen MVP und MLP

Wie wende ich das Wissen an?

Das Ziel dieses Artikels ist es nicht, deine gesamte bisherige Arbeit wegzuschmeißen. Viel mehr soll es zum Nachdenken anregen. Um was geht bei der Produktentwicklung? Was ist das Ziel, was ich verfolge? Wie viele Kenntnisse habe ich bereits über den Zielmarkt und das Kundensegment? Bin ich mir sicher, dass ich die Probleme meines Kunden verstanden habe? Ist es mein Ziel, zunächst ein funktionales Produkt bereitzustellen, um gemeinsam mit dem Kunden zu lernen? Oder will ich viel mehr gleich von Anfang an meine Kunden begeistern?

Die größte Schwierigkeit ist es wie immer, eine Antwort auf all die oben genannten Fragen zu finden. Ich kann mir richtig vorstellen, wie manche Teammitglieder das vielleicht als Zeitverschwendung empfinden. Schließlich wissen wir doch alle was wir wollen, oder? Bitte nehmt euch, als Team die Zeit zu reflektieren. In welcher Umgebung und mit welchem Ziel wollt ihr das Produkt entwickelt. Ein MVP ist nicht besser oder schlechter, als ein MLP. Es kommt auf das jeweilige Projekt und die entsprechenden Herausforderungen an. Gerade im technischen Bereich kann es durchaus sinnvoll sein mit einem MVP erste Testversuche zu starten. Einige Probleme tauchen erst mit einer gewissen Zeit im Feld auf. Denn eine Sache muss immer klar sein. Die Funktionalität muss beim MLP ebenfalls gewährleistet sein. Und vergesst nicht, der Fokus liegt nur dem minimalen Funktionsset, was ich benötige, um meinen Kunden zu begeistern. Werde nicht zum Feature Pusher.

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